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Tätigkeitsbericht 2002
Tätigkeitsbericht Orpheus Trust Vereinsjahr 2002
Das Jahr 2002 stand vor allem im Zeichen der Klanginstallation 'Orpheus.Klangwege'. Langjährige Recherchen mündeten in einem überaus erfolgreichen Projekt, mit dem die vom NS-Regime verfolgte Musik und ihre Exponenten fünf Wochen lang Teil des Stadtlebens in Wien-Neubau waren. Die zahllosen positiven Reaktionen belegen, daß damit auch das Ziel, aus dem 'Ghetto der Aufgeklärten' auszubrechen, erreicht werden konnte.
o Mit Jahresende waren in der biographischen Datenbank Informationen zu 4.549 vertriebenen und verfolgten Musikschaffenden vorhanden (Stand Jahresanfang 4.382).
o Die Werkdatenbank enthielt Ende 2002 über 8.870 Werke verfolgter und vertriebener KomponistInnen (zu Jahresbeginn 7700).
o Die Zahl der 'oral history'-Interviews, die sich in unserem Archiv befinden, hat sich auf 200 erhöht; neu hinzugekommene Bücher und Tonaufnahmen sprengen die Räumlichkeiten.
o Der Orpheus Trust erhielt von Frau Ursula Franz den musikalischen Nachlaß des Komponisten, Musikologen und Musikproduzenten Kurt List.
o In 21 Veranstaltungen wurde die Öffentlichkeit im Jahr 2002 mit Leben und Werk von über 50 verfolgten Musikschaffenden bekanntgemacht.
o Über 300 Anfragen an Datenbank und Archiv wurden beantwortet.
o Der Fritz Spielmann Fonds vergab im vergangenen Jahr 4 Projektstipendien.
o Ende 2002 hatte der Verein 440 (2001: 387) ordentliche und außerordentliche Mitglieder.
1. Forschung und Dokumentation
Datenbank, Archiv
Die Orpheus-Datenbanken konnten nicht nur laufend erweitert werden, sondern dienen auch als Ausgangspunkt für das vom Wissenschaftsfonds geförderte dreijährige Forschungsprojekt 'Verfolgte Musik' (Projektleitung: Univ.Prof. Dr. Jürg Stenzl, Mitarbeiter Dr. Gerhard Scheit, Dr. Primavera Gruber, Mag.Dr. Irene Suchy, Mag. Winfried Schneider), welches am 1. Juli 2002 startete und Vorarbeiten zum 'Österreichischen Handbuch der verfolgten Musik' umfaßt. Durch die Arbeit von Primavera Gruber ist eine Verknüpfung mit den Orpheus-Datenbanken gegeben, auch wenn ein Teil der Projektarbeit unabhängig verläuft - so kam die erzwungene Sommerpause dem Schwerpunkt 'Niederlande' des Forschungsprojekts zugute.
Mit der Subvention des Wissenschaftsministeriums wurde die diesjährige Forschungsarbeit für das Projekt 'Klangwege' finanziert, unsere Praktikantin im Sommersemester, Liz Renner vom Wellesley-College, USA, hat mit ihrer engagierten Arbeit für beachtliche Zuwächse in der Werkdatenbank gesorgt.
Der musikalische Nachlaß des Webern-Schülers Kurt List stellt eine besonders wertvolle Bereicherung für das Archiv des Orpheus Trust dar. Bemühungen um eine konzertante Aufführung der Opern dieses hochinteressanten Komponisten scheiterten vorerst am allgemeinen Desinteresse, der Orpheus Trust ist aber weiterhin um eine Wiederentdeckung bemüht.
Fritz Spielmann Fonds
Der mit Mitteln der Erben Fritz Spielmanns, Moshe H. Jahoda und Walter Mark Gregory und des Kulturamtes der Stadt Wien gegründete, im Jahr 2000 mit Hilfe der Ronald S. Lauder Foundation aufgestockte Fonds vergab im Jahr 2002 Projekt-förderungen an Alan Lareau für eine CD mit Originalaufnahmen von Greta Keller, (EUR 540,42), an Matthias Wurz für seine Forschungen zu Karl Rankl, (EUR 573,82), an Mag. Esther Schmid für ihre Doktorarbeit zu Wiener Kantoren (EUR 700,-) und an Hannes Heher für die Herstellung des Notenmaterials des Klavierkonzerts von Karl Weigl. (EUR 2.355, 37). Mit Hilfe des Orpheus Trust bzw. des Spielmann Fonds konnten Elena Fitzthum ihre Doktorarbeit zu Musiktherapie und Vally Weigl sowie Gerlinde Illich ihre Diplomarbeit zur Rezeptionsgeschichte Karl Weigls mit Auszeichnung abschließen.
2. Orpheus Trust als 'Vermittlungs-und Informationsdrehscheibe'
550 Veranstalter im deutschsprachigen Raum erhielten das jährliche 'Veran-staltermailing', mit Namen von über 250 Dirigenten, Solisten und Ensembles, die Werke von 'Exilkomponisten' im Repertoire haben und mit dem Orpheus Trust in Verbindung getreten sind. Hunderte Anfragen von Exilforschern, Institutionen, Veranstaltern, Interpreten, anderen Interessenten und Medien um Informationen und Datenbankausdrucke konnten beantwortet werden. Daraus resultierten CD-Projekte und Konzertprogramme, wie das Elysium- between two continents - Konzert 'Banned, Silenced, Persecuted' im Oktober in der Carnegie Hall, New York. Hier wurde der Orpheus Trust auch tatsächlich erwähnt, was leider nach wie vor eine Ausnahme darstellt.
Eine Vermittlungsplattform der besonderen Art ist das Orpheus- Supplement in der 'Zwischenwelt ('Orpheus in der Zwischenwelt') unter der Redaktion von Gerhard Scheit, welches im Jahr 2002 erstmals erschien und damit ein neues Publikationsforum für verfolgte Musik bietet.
3. Koproduktionen und Eigenveranstaltungen
Die Konzertreihe 'Mit leichtem Gepäck. Gerhard Bronner präsentiert junge Stars mit vergessener Musik' konnte 2002 vor ausverkauftem Haus fortgesetzt werden.
Der Erfolg der Klanginstallation 'Orpheus.Klangwege' mit seinem umfangreichen Rahmenprogramm und der Internetausstellung (www.klangwege.orpheustrust.at) läßt auf weitere Projekte dieser Art hoffen - eine Nachnutzung der Klangsäulen und - boxen wird angestrebt, ein Film ist in Planung. Die Zusammenarbeit mit der Bezirksvertreung Wien-Neubau war außerordentlich erfreulich. Maestro Julius Rudel, der mit dem Symphonie-Orchester der Wr. Volksoper die 'Klangwege' eröffnet hatte, besuchte mit seiner Familie im Dezember erstmals wieder die Wohnung seiner Kindheit im 7. Bezirk. Eine weitere Kooperation mit Kulturinstitutionen des 7. Bezirks war die Adventwanderung 'Alles Gute. Ein Umgang' zu der der Orpheus Trust 'Spielmann's Christmas' beisteuerte. In Zusammenarbeit mit dem ORF Radiokulturhaus wurde das Klavierkonzert von Karl Weigl (1925) mit dem RSO und Florian Krumpöck uraufgeführt, der Notendruck wurde aus Mitteln des Fritz Spielmann Fonds finanziert.
Zu den weiteren Koproduktionen gehörten u.a. die Symposien 'Musik der Juden im Burgenland' im Oktober in Eisenstadt und 'Echolos? Klangwelten verfolgter Musikerinnen in der NS-Zeit' der AG 'Frauen im Exil' im November an der Universität Bielefeld, wo Primavera Gruber als Referentin teilnahm. Publikationen zu beiden Symposien sind in Vorbereitung.
Mit einem Konzert des Organisten Roman Summereder in der Schottenkirche wurde erstmals auch 'verfemte Musik' für Orgel programmiert.
4. Verein, Vernetzung
Der neue Vereinsvorstand bestand aus Dr. E. Randol Schoenberg als Vorsitzendem, Dr. Peter Dusek als Vorsitzendem-Stellertreter, Schriftführer Dr. Heinz Lunzer, Schriftführerin – Stellvertreterin Erika Jakubovits und Kassier Dr. Felix Mayrhofer-Gruenbühl. Zu Ehrenmitgliedern wurden Moshe H. Jahoda (Ehrenpräsident), Alexandra de Varsoviano Gruen, Inge Lunger und Ursula Franz ernannt. Als Rechnungsprüfer wurden Dr. Wladimir Fried und Regina Erben-Hartig gewählt.
Nach sechsundhalb Jahren in der 'rechtlichen Grauzone', teils weit unter dem Existenz-minimum, wurde im November 2002 endlich ein Halbtagsdienstvertrag mit Gründerin Dr. Primavera Gruber abgeschlossen. Da ihre nun auf das Forschungsprojekt entfallenden Arbeitsstunden aus Geldmangel nicht von zusätzlichen Mitarbeitern übernommen werden konnten und das Arbeitsteam bereits zuvor überlastet war, muß weiterhin massiv unbezahlte Arbeit geleistet werden.
Die Vernetzung wurde auf allen Ebenen ausgebaut, so ist der Orpheus Trust mit Dr. Heinz Lunzer und Dr. Primavera Gruber im Vorstand der 'Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung' vertreten, aber auch auf der informelleren Ebene haben sich die Kontakte im In-und Ausland intensiviert. Der Orpheus Trust ist weltweit ein Begriff.
5. Zur finanziellen Situation (siehe auch Jahresabrechnung 2002)
Trotzdem: die bedrückende Subventionslage (BKA.Kunst genehmigte 15% des Subventionsansuchens, die MA 7 der Stadt Wien 50%) hat es nicht erlaubt, das geplante Herbstprogramm zu realisieren. Die 'Orpheus.Klangwege' waren, trotz der vielen unbezahlten Arbeitsleistungen und der Förderung durch den Nationalfonds mit dem vorhandenen Budget nicht zu finanzieren. Da auch den Ansuchen um Nachsubvention bei der Stadt Wien und dem BKA.Kunst nicht stattgegeben wurden, entstand ein Liquiditätsengpaß, der mit einem Preis aus der Dr.-Karl-Renner-Stiftung und einem Darlehen des Fritz Spielmann Fonds überbrückt werden konnte. Wir bedanken uns ganz besonders bei unseren Mitgliedern, die mit ihren Mitgliedsbeiträgen und Spenden ein Weiterfunktionieren ermöglicht haben, appellieren aber dringend an die Kulturpolitik, endlich Verantwortung zu übernehmen.
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Klezmorim
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